Ein neutrales Afghanistan wäre für alle die beste Option

Heinz Gärtner im Kommentar für Wiener Zeitung

US-Präsident Joe Biden setzte, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, sein Versprechen um, die US-Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Diese Entscheidung beruhte auf der Erkenntnis, dass "wir nicht glauben, dass militärische Gewalt die Antwort auf die Herausforderungen in der Region ist". Das Ergebnis dieses zwanzigjährigen Krieges hat weitgehend den Vorkriegszustand wiederhergestellt. Die Terrororganisation Al-Kaida und die Taliban waren keine Einheit. Al-Kaida zu bekämpfen, war im Wesentlichen mit Kommandooperationen und meistens außerhalb Afghanistans erfolgreich. Eine weitreichende Invasion wäre nicht notwendig gewesen. Die Tötung Osama bin Ladens in Pakistan durch eine Spezialeinheit ist das bezeichnendste Beispiel dafür. Die Taliban wären auch bereit gewesen, ihn an irgendein Land - außer an die USA - auszuliefern.

Heinz Gärtner ist Lektor an den Universitäten Wien und Krems. Er ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Internationalen Instituts für den Frieden und des Beirates Strategie und Sicherheit der Wissenschaftskommission des Österreichischen Bundesheeres. - © IIP

Für die USA gab es letztlich keine Alternative, als ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Ein weiteres Hinauszögern um Monate und Jahre hätte keine Veränderung gebracht. Biden hatte den Mut, diese Erkenntnis umzusetzen. Wie bei allen Kriegen, die nicht gewonnen werden, werden die Amerikaner auch kriegsmüde. Präsidenten, die ein Ende der Kriege versprachen, haben auch die darauffolgenden Wahlen gewonnen. Das traf auf Dwight Eisenhower und den Korea-Krieg, auf Richard Nixon und den Vietnam-Krieg sowie Barack Obama und den Irak-Krieg zu. 70 Prozent der Amerikaner befürworten den Abzug aus Afghanistan. Bis zu den nächsten US-Präsidentschaftswahlen wird sich auch die Kritik am Abzug gemildert haben.