GASTKOMMENTAR: Was bleibt von Trump?

Erschienen in Salzburger Nachrichten am 09.01.2021

Am 20. Jänner muss der Präsident das Weiße Haus verlassen. Aber der „Trumpismus“ wird bleiben – und die Geister, die er heraufbeschworen hat.

Bis zum Dreikönigstag hätte man auf die Frage, was von Donald Trump bleiben wird, kurz und bündig antworten können: Den Mann wird man in erster Linie wegen seines markanten Scheitels und seiner großen Sprüche in Erinnerung behalten. Und weil er der erste Präsident war, der seine Gedanken via Twitter mit der Welt teilte und den Begriff „Fake News“ im globalen Wortschatz verankert hat.

Doch am Mittwochnachmittag kam auch eine historische Dimension dazu: Der 6. Jänner 2021 wird in Erinnerung bleiben als der Tag, an dem das Kapitol das zweite Mal in der Geschichte gestürmt wurde. Beim ersten Mal waren es die Briten, die 1814 im Krieg gegen die damals jungen USA das Kapitol, das Weiße Haus und zahlreiche Regierungsgebäude niederbrannten. Diese Woche, beim zweiten großen Angriff in der Geschichte, war es Trumps aufgestachelte Gefolgschaft, die in die Herzkammer der amerikanischen Demokratie eindrang und damit die Öffentlichkeit ähnlich schockierte wie vor über 200 Jahren die Truppen des britischen Königreichs.

Mit den von ihm provozierten Ausschreitungen hat sich Trump unfreiwillig in die Geschichtsbücher eingeschrieben – und mit der politischen Ideologie, die seinen Namen trägt. Denn auch wenn im Weißen Haus mit Joe Biden ein neuer Politikstil einkehren wird und die USA auf die internationale Bühne zurückkehren werden: Der „Trumpismus“ wird fortwirken, weil die dahinter stehenden Überzeugungen in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft tief verankert sind.

Die Ursprünge reichen zurück ins 19. Jahrhundert bis zu Andrew Jackson. Dieser Kriegsheld, der 1829 als erster Präsident der Demokraten ins Weiße Haus einzog, war ein Verfechter der Idee der Vorherrschaft der Weißen über die schwarzen Sklaven, ein Mann, der die „Indianer“ gnadenlos vertrieb und für die kleinen Farmer, Handwerker und Siedler sprach. Die Demokraten blieben auch später die Partei der weißen Vorherrschaft. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie zur Partei der Bürgerrechte, während die Republikaner nach rechts rückten. In den vergangenen Jahrzehnten vertraten Republikaner bzw. rechte Populisten von Newt Gingrich über Pat Buchanan bis Ross Perot Positionen weit rechts des republikanischen Zentrums. Vor rund zehn Jahren dann scharten sich die Anhänger antiintellektueller, nationalistischer, populistischer und rassistischer Positionen in der „TeaParty-Bewegung“.

Eine wichtige Rolle für den Erfolg der Rechtspopulisten spielt die alte, tief sitzende Angst weißer Wählerschichten, gegenüber Schwarzen, Latinos und Asiaten zu einer Minderheit zu werden. Dazu kommt das Engagement der einflussreichen christlichen Rechten, wo viele den Islam-Hasser Donald Trump als eine Art Messias in einer zunehmend gottlosen, allzu liberal gewordenen Welt verehren. Trump machte sich zum Sprachrohr für das radikalisierte, konservative Amerika – mit der Folge, dass er bei der Wahl am 3. November im Vergleich zu 2016 noch Millionen zusätzliche Stimmen gewann. Die 74 Millionen Amerikaner, die bei der Wahl für Trump stimmten, die Erzkonservativen, die Evangelikalen, die abgehängten Arbeiter im Mittelwesten – sie werden ihre Überzeugungen nicht von heute auf morgen aufgeben. Seine treuen Anhänger, die Trump blind folgen und jeden seiner Sätze als Befehl betrachten – sie werden Joe Biden nicht die Hand reichen, sondern weiter misstrauisch auf das demokratische und gemäßigte republikanische Establishment in Washington blicken.

Und außenpolitisch?

Da wird Joe Biden nicht nur einen anderen Stil pflegen, sondern auch Kurskorrekturen vornehmen – etwa was den Klimaschutz betrifft. Doch auch im außenpolitischen Feld wird die Politik der TrumpAdministration zumindest zum Teil fortwirken. Washington hat in den vergangenen vier Jahren auf Konfrontation mit dem Iran gesetzt und zugleich in Nahost den Durchbruch bei den Bündnis-Bemühungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten geschafft, auch wenn die USA damit die Palästinenser im Stich gelassen haben.

Abgesehen davon bleibt Trump Role Model für den Machismus in der Politik und all die Orbáns und Bolsonaros des 21. Jahrhunderts. Der Chef der italienischen Lega-Partei, Matteo Salvini, träumte von einer „internationalen Front“ mit dem USPräsidenten und seinen Anhängern. Im Parlament trägt der italienische Rechtspopulist schon mal einen Mund-Nasen-Schutz, auf dem in Großbuchstaben „Trump“ steht. Alexander Gauland von der „Alternative für Deutschland“ wandelte Trumps bekannten Slogan „America First“ ab. Der AfD-Vorsitzende sprach sich unter dem Motto „Deutschland zuerst“ für eine „Rückführung“ von Flüchtlingen in ihre Heimat aus. Allerdings: Aus der großen Allianz der europäisch-amerikanischen Rechtspopulisten ist nichts geworden. Europas Rechtspopulisten sind sogar in einem Tief, wie Umfragen zeigen. Besiegelt also das Ende von Trumps Präsidentschaft den Abstieg von Europas Populisten? Das bezweifelt der deutsche Soziologe Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld. „Die Formel ,Trumpismus’ halte ich für die europäische Gesellschaft nicht für weiterführend. Da die radikal autoritären Parteien in Europa weitaus älter sind als die kurze Amtszeit Trumps“, sagte der Soziologe in einer Videodebatte von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“. Beobachte man die Sitze, die in nationalen Parlamenten von rechtspopulistischen Parteien eingenommen würden, sehe man seit Jahren eine fast linear ansteigende Kurve, erläutert Heitmeyer.

Und was Trump betrifft, darf man annehmen, dass er auch nach Ablauf seiner Präsidentschaft mitmischt. Möglich, dass der Mann, der den Amerikanern eine Wirtschafts-, Gesundheits-, Justiz- und eine schwere politische Krise hinterlässt, zum Fernsehen zurückkehrt und einen TV-Kanal gründet, nachdem sich zuletzt auch sein Haus-und-Hof-Sender Fox News von ihm distanziert hatte. In jedem Fall dürften Trumps Anhänger eine starke außerparlamentarische Opposition bilden, die immer wieder für Unruhe sorgen wird. Die Rolle Trumps könnten auch andere Politiker übernehmen, Senatoren oder Gouverneure, sagt der Politikwissenschafter und USA-Experte Heinz Gärtner von der Universität Wien. Sicher sei: „Es werden wieder ,Trumps‘ kommen, die diese Stimmung ausnützen werden.“

Wie stark der Einfluss von Trumps Leuten sei, habe sich auch am Mittwoch beim Sturm auf das Kapitol gezeigt, sagt Gärtner. Dass die Aufrührer so einfach ins Kapitol hätten eindringen können, könne man nur damit erklären, dass der Polizeiapparat bewusst zugeschaut habe. „Es ist nicht möglich, dass die Nachrichtendienste das nicht vorhergesehen haben. Die Trump-Unterstützung reicht weit hinein in den Sicherheitsapparat. Da wird Joe Biden vorsichtig sein müssen.“ Donald Trump muss am 20. Jänner die Macht abgeben. Daran führt kein Weg vorbei. Die Geister aber, die er heraufbeschworen hat – sie werden ihre Macht behalten.

Bild: Gage Skidmore


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Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner is a lecturer in the Department of Political Science at the University of Vienna and at Danube University. He was academic director of the Austrian Institute for International Affairs. He has held various Fulbright Fellowships and the Austrian Chair at Stanford University. He was Austrian Marshall Plan Foundation Fellow at the Johns Hopkins University in Washington DC. Among other things, Gärtner chairs the Strategy and Security advisory board of the Austrian Armed Forces and the Advisory Board of the International Institute for Peace (IIP) in Vienna. He has published widely on international security, nuclear non-proliferation and disarmament, US foreign policy, geopolitics, Iran, and the Middle East.