Friedensförderung und Gewaltprävention neu gedacht

Die Prinzipien "Hilfe vor Ort" und "Vorbeugen ist besser als Heilen" stehen hoch im Kurs. Einfaches Wegducken, militärisches Drüberbügeln und nachträgliches Reparieren kosten und sind zunehmend unpopulär. Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm auf die Prüfung der Einrichtung eines Zivilen Friedensdienst in Österreich verständigt - ein Pionierprojekt entsteht.

Der Zivile Friedensdienst ist ein eigenständiges Instrument der österreichischen Außenpolitik und als Gemeinschaftswerk von Staat und Zivilgesellschaft konzipiert. Durch den Einsatz von Friedensfachkräften werden lokale Partnerorganisationen in Krisen- und Konfliktgebieten in Fragen von Gewaltprävention und Verhinderung von Gewalt, ziviler Konfliktbearbeitung und Friedensförderung auf Augenhöhe unterstützt.

Der Zivile Friedensdienst agiert ausschließlich auf gewaltfreier Basis und bringt unterschiedliche Methoden ziviler Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsschutz unter besonderer Berücksichtigung von Frauen in Friedensprozessen zur Anwendung. Es ist kein Ersatz für die Instrumente des Staates, sondern eine wertvolle Ergänzung. Strategiedokumente der Republik betonen die unverzichtbare Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Bearbeitung von Konflikten.

Ein Entschließungsantrag der grünen Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic und des ÖVP-Abgeordneten Reinhold Lopatka, die Außenminister Alexander Schallenberg zur "ehestmöglichen" Einrichtung dieses neuen Instruments auffordert, fand eine breite Mehrheit. In ihrer Parlamentsrede im Juli sah Ernst-Dziedzic den "Startschuss gegeben", und Lopatka möchte "einen Stein ins Rollen bringen". Schon im Wahlkampf 2019 sah die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr "eine wichtige Weiterentwicklung unserer Außenpolitik".

Der Zivile Friedensdienst ist kein "Lerndienst" von Freiwilligen, sondern ein professioneller Einsatz von hervorragend praktisch und theoretisch ausgebildeten Fachkräften zur Konfliktbearbeitung. Das Instrument ist vom Wehr- und vom Zivildienst unabhängig. Basis der gegenwärtigen Debatte ist ein durch die Zivilgesellschaft ausgearbeitetes Konzept. Stichworte der Begründung finden sich auch im Regierungsprogramm: Österreich als Vermittler in Konflikten, Neutralitätspolitik, zivile Krisenprävention oder Menschenrechtsschutz.

Dass der Zivile Friedensdienst sehr gut funktioniert, zeigt das deutsche Modell. Dort wurden seit 1999 rund 1.500 Friedensfachkräfte in mehr als 60 Ländern eingesetzt. Ein Konsortium von Nichtregierungsorganisationen setzt das gemeinsame Programm in der Praxis um. Die staatliche Unterstützung beträgt in Deutschland 55 Millionen Euro pro Jahr - Tendenz steigend. Natürlich wird die Wirksamkeit streng geprüft.

Seit Beginn der 1990er Jahre engagieren sich zivilgesellschaftliche Organisationen für einen Zivilen Friedensdienst in Österreich, um professionelle Konfliktarbeiterinnen und -arbeiter mit entsprechender Ausbildung zum Einsatz zu bringen. Vorzeigeprojekte sind im Laufen. Im heurigen Jahr sind bereits einige Schritte mit Siebenmeilenstiefeln gelungen. Ein Pionierprojekt in Österreich macht Tempo.


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Priv.-Doz. Mag. Dr. Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Er ist Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund - Österreichischer Zweig mit Zuständigkeitsbereich Ziviler Friedensdienst und aktive Friedenspolitik.
Sozial- und Wirtschaftswissenschafter, Jahrgang 1971.